Aktuelles

Die unsichtbaren Städte

Im Rahmen von RUNDUM – FESTIVAL FÜR KULTUR UND BEGEGNUNG
Fotoausstellung von Uwe Brodmann vom 22.10 bis 07.11.2025
Vernissage am 22. Oktober 2025 um 19.30 Uhr in der Petrikriche Braunschweig
Es spricht Pia Kranz, Kunstwissenschaftlerin

Uwe Brodmann: »Die unsichtbaren Städte, das Buch, in dem Italo Calvino Marco Polo in einem fiktiven Dialog mit dem Mongolenkaiser Kublai Khan diesem sein Reich näherbringen will, habe ich vor Jahren gelesen, und es hat mich fasziniert! Bei meinen Reisen, die eigentlich immer Fotoreisen sind, fotografiere ich oft Stadtansichten, und ganz oft kommt mir dabei das Buch in den Sinn. Nicht, dass die Städte denen ähneln, die Marco Polo dem Mongolenkaiser beschreibt, sondern die Grenze zwischen realen und fiktiv wirkenden, oft surreal anmutenden Stadtansichten sind es, die mich fesseln und zugleich wissen lassen, man wird nie einen Überblick bekommen, im Gegenteil, je mehr man gesehen hat, desto unmöglicher ist es, die Welt in Gänze zu beschreiben.«

Die Verhältnisse zum Tanzen bringen - Zum Werk von Uwe Brodmann

Von Michael Stoeber

Schaut man auf die Webseite des Fotografen Uwe Brodmann, wird man mit einem Reichtum an Bildern beschenkt, die man eher einer Vielzahl von Schöpfern als einem einzigen Künstler zuschreiben möchte. Dieser Reichtum bezieht sich sowohl auf die mannigfaltigen Themen, die der Fotograf in seinem Œuvre behandelt, als auch auf die unterschiedlichen Stile, in denen er sie zum Ausdruck bringt. Die Werkgruppen, die er auf seiner Webseite versammelt hat, nennt er in beziehungsvoller Anlehnung an seinen Namensvetter, den Neuroanatomen Korbinian Brodmann, der die Großhirnrinde des Menschen in 52 Felder eingeteilt hat, Brodmann-Areale.

Sie umfassen eindrucksvolle Porträt- und Landschaftaufnahmen, grandiose Architektur- und Industriebilder, prägnante Aufnahmen von Museumssammlungen, konzentrierte Stillleben von Blumen und Blüten, hinreißende Bilder von Theater- und Bühneninszenierungen. Außerdem Aufnahmen, in denen der Fotograf aus Anlass des Gedenkens an den D-Day, dem 65. Jahrestag der Landung der Alliierten in der Normandie, an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs erinnert sowie an die Freude, sie überwunden zu haben und an den Glanz eines fragilen, immer gefährdeten Friedens. Nicht zu vergessen seien bei dieser Aufzählung seine wichtigen und tief beeindruckenden Fotografien der nationalsozialistischen Konzentrationslager und Vernichtungsstätten wie Auschwitz, Birkenau und Bergen-Belsen, die ohne Worte deutlich machen, dass so ein Zivilisationsbruch, wie er in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts stattgefunden hat, sich unter keinen Umständen wiederholen darf. Bilder, die, ohne zu moralisieren, einer zutiefst moralischen Aufgabe genügen.

Diesem wichtigen Anspruch werden auch die Aufnahmen gerecht, für die Uwe Brodmann in und um Braunschweig Menschen und Familien mit Migrationshintergrund zu Hause und bei der Arbeit fotografiert hat. Sie machen nicht nur deutlich, dass Deutschland inzwischen zur Heimat für Menschen aus der ganzen Welt geworden ist, die für diese Heimat dankbar sind. Sondern sie demonstrieren ebenso diskret wie unübersehbar, was für einen nicht hoch genug zu schätzenden Gewinn diese Menschen und Familien auch für Deutschland darstellen.

Mit dieser Aufzählung ist inhaltlich nur in grober Weise umrissen, was die Betrachterinnen und Betrachter der Bilder des Fotografen im Einzelnen erwartet. Und vor jeder weiteren inhaltlichen Differenzierung gilt es hier, in erster Linie den Stil seiner Aufnahmen hervorzuhaben. Nicht was, sondern wie Uwe Brodmann fotografiert. Denn, um in dem Zusammenhang mit seinem Werk das kanonische Wort von Gottfried Benn in Anschlag zu bringen: „Die Kunst ist Form, oder sie ist nicht.“ Und formbewusster als Brodmann kann man schwerlich fotografieren.

Zu Recht macht der Künstler Brodmann, der von Beruf Industriefotograf ist, daher bei den auf seiner Webseite versammelten Aufnahmen auch keinen Unterschied zwischen den Bildern, die er in Auftrag gefertigt hat und den Bildern, zu denen er sich selbst beauftragt hat. Beide werden gleichermaßen von derselben Stil- und Ausdrucksstrenge beherrscht. Sie ist das überwölbende Qualitätskriterium von Brodmans Werk, der als Fotograf indes kein Ideologe eines besonderen Stils ist. Seine Bilder sind dokumentarisch und Street Photography, können aber auch konzeptuelle Fotografie sein und einem strengen Aufnahmedispositiv folgen. Manchmal sind sie lange vorbereitet, inszeniert und choreografiert, dann wieder profitiert Brodmann von der Gnade des Zufalls, vom Glücksfund eines Bildes und dem „moment décisif“ in der Fotografie, von dem der große Henri Cartier-Bresson gesprochen hat.

Jenem entscheidenden Augenblick, in dem es den Auslöser der Kamera zu bedienen gilt, um im Bruchteil einer Sekunde, die der geübte Fotograf schneller als jeder andere erkennt und ergreift, von der Substanz einer Situation für seine Aufnahme zu profitieren. Uwe Brodmann erzählt gerne, wie er bei einer Inspektion mit seinem Auftraggeber, bei der es darum ging, Röhren zu fotografieren, quasi aus den Augenwinkeln, eine äußerst interessante Röhrenkonstellation wahrnahm. Als er mit der Kamera zurückkehrte, war sie leider bereits unwiederbringlich verlorengegangen.

Dass Brodmann das Auge und Gefühl für eine gelungene Komposition hat, die ihm die Wirklichkeit liefert und die es unter allen Umständen zu ergreifen gilt, zeichnet bereits seine frühen Werke aus, die in den Städtischen Kunstsammlungen Schloss Salder zu sehen sind. Es ist, als habe der Fotokünstler in seinem Unterbewusstsein ein fein austariertes ästhetisches Sensorium, das ihn exakt dann zur Kamera greifen lässt, wenn das Geflecht der Linien, die Verteilung von Licht und Schatten, von Stille und Bewegung vor seinen Augen sich zum wohl komponierten Bild fügen. Unnötig zu sagen, dass auch wenn viele Menschen mit ihm dieselbe Situation sehen sollten, dies eine wahrhaft singuläre Qualität ist, und die anderen dabei nicht notwendig sehen, was er sieht.

Deutlich wird das, wenn er 1966 in schwarzweißen Bildern die Grenze zur CSSR als lähmenden Ort des Stillstandes fotografiert. Oder wenn er 1968 einen Marktplatz in Jugoslawien als Forum lebhafter Auseinandersetzung und Diskussion der Menschen dort aufnimmt. Oder wenn er im selben Jahr in Braunschweig eine Demonstration gegen den Krieg in Vietnam fotografisch dokumentiert. Die Kamera fängt die solidarisch untergehakte Gruppe der energisch vorwärtsdrängenden Demonstrantinnen und Demonstranten ebenso ein wie die skeptischen, ablehnenden oder gleichgültigen Gesichter einzelner Beobachterinnen und Beobachter des Geschehens. So, dass sich die Aufnahmen zu einer gleichsam filmischen Sequenz miteinander verbinden.

Wir beobachten hier sehr früh ein kinematisches Interesse Brodmanns an einer Erweiterung des Raumes in seinen Bildern durch Bewegung. Sie wird von ihm realisiert, indem er sich mit der Kamera bewegt und ein und dasselbe Geschehen aus verschiedenen Perspektiven heraus fotografiert und die Bilder dann in Serie als Block zeigt. Genau aus diesem Impuls heraus, aus dem Bedürfnis, einzelne Bilder in Bewegung zu setzen und zu einem bestimmten Narrativ miteinander zu verbinden, ist historisch der Film entstanden. Uwe Brodman aber ist kein Filmer, er ist überzeugter Fotograf. So fragt er sich schon damals, wie er den Raum im Einzelbild erweitern kann, und zwar über den traditionellen Weitwinkel hinaus.

Dass dies möglich ist, wird ihm klar, als er 1972 Fotos in Händen hält, die mit einer russischen Panorama-Kamera gemacht wurden, der „Horizont“, die mit einem Schwenkobjektiv ausgestattet ist, das sich während der Aufnahme dreht, sodass ein Bildwinkel von 120 Grad erreicht wird. Die Tiefenschärfe ist so groß, dass die Entfernung nicht eingestellt werden muss. Brodmann ist elektrisiert. Mit so einer Kamera möchte er auch fotografieren. Doch die Suche nach dem Fotoapparat gestaltet sich als schwierig. Erst ein Jahr später gelingt ihm ein Kauf in Krakau. Und nun kann er etwas fotografieren, von dem er immer geträumt hat.

Davon erzählt sehr eindringlich ein sehr frühes Bild in der Ausstellung in Salder, „Wartjenstedt“ aus dem Jahr 1973. Es zeigt in dem für die Panorama-Kamera typischen Breitwandformat im Vordergrund der Aufnahme ein abgeerntetes Weizenfeld. Es nimmt mehr als die Hälfte des Bildes ein. Darüber sehen wir einen hellen, leicht wolkenverhangenen Himmel. Rechts und links schieben sich wie in einem Bühnenbild zwei schwarze Wäldchen davor. Die Mitte bleibt leer bis auf einen einsamen Baum mit Hochsitz. Das Ganze in Schwarzweiß. Cinemascope ohne Farbe, aber mit einer Palette exquisiter Grautöne.

Das Bild erinnert an die Diagnose eines Kritikers zum Theater von Samuel Beckett: Dieses sei von einem Grau, wie es farbiger nicht sein könnte. Neben der Raumerweiterung ist es diese überwältigende Tiefenschärfe, die Uwe Brodmann fasziniert. Sie fächert das Schwarzweiß der Bilder in immer neue Graus auf und verleiht ihnen eine Raumwirkung, die die Betrachterinnen und Betrachter förmlich in die Bilder hineinsaugt.

In „Rübenland bei Wirthe“ aus demselben Jahr sieht man, wie Brodmanns langer Schatten, der Schatten des Fotografen, auf die Furchen des scheinbar endlos in die Länge und Breite sich erstreckenden Feldes fällt. Es erinnert ein wenig an die Manier von Alfred Hitchcock sich als Autor spielerisch selbst mit in sein Werk, in seine Filme, einzubringen. Menschen, die in diesem und ähnlichen Bildern von Brodmann ihre angebliche Leere beklagen, haben offensichtlich kein Gefühl für das Drama, das sich in ihnen zwischen Licht und Schatten, zwischen einem bewegten, sich in jeder Sekunde verändernden Himmel und dem stoisch daliegenden, von Bauernhand in eine strikte und strenge Ordnung gezwungenem Feld abspielt.

Die beiden Bilder aus dem Jahr 1973 sind die frühesten der Ausstellung in den Städtischen Kunstsammlungen Schloss Salder. Die Schau in dem von Stephanie Borrmann geleiteten Haus ist Teil einer umfassenden Präsentation des Werks von Uwe Brodmann, die ein fünfzigjähriges Schaffen des Fotokünstlers umfasst, von 1973 bis 2023. An ihr sind noch zwei weitere Kunst- und Kulturinstitute beteiligt, das Städtische Museum Braunschweig und das Braunschweigische Landesmuseum, die ihre Ausstellungen erst später im Jahr eröffnen. Alle drei Schauen werden unter dem Titel „Auslöser“ präsentiert.

Ein Titel, der unprätentiöser, aber auch charakteristischer für das Schaffen eines Fotokünstlers nicht sein könnte. Denn wir alle haben Kameras, meistens in Form eines Smartphones, die wir nutzen und bedienen und bei denen wir den Auslöser betätigen, um Bilder zu fertigen. Nur, wann das der Fall ist, das bestimmt in entscheidender Weise mit über die Qualität der Aufnahmen. Oder, um es mit den Worten des Kulturphilosophen und Theoretikers Vilem Flusser zu sagen, es entscheidet darüber, ob wir als Produzentinnen und Produzenten den Fotokünstlern oder eher den Fotoknipsern zuzurechnen sind.

Uwe Brodmann gehört definitiv zu den Fotokünstlern und dabei spielt die von ihm für sein Schaffen entdeckte „Horizont“-Kamera keine kleine Rolle. Üblicherweise diente die Kamera für dokumentarische Zwecke, vor allem um panoramahafte Architekturfotos zu machen, in der Regel mit einem Stativ. Brodmann hat es verstanden, die Kamera für sein Werk vom Stativ zu lösen, sie vom Dienst an der Architektur zu befreien und für seine Zwecke einzusetzen. Auf diese Weise ist die Panoramaaufnahme zur Signatur der Kunst von Uwe Brodmann geworden. Zu einer Art Alleinstellungsmerkmal seiner Fotografie. Wobei ebenfalls wichtig ist, dass er in den 1980er Jahren die japanische „Widelux“ für sich entdeckt hat. Dieser Apparat kann Rollfilme belichten und wartet, anders als die „Horizont“, mit einer Fokussierungsfunktion auf, mit der der Fotograf ohne größere Schwierigkeiten auch Nah- und Porträtaufnahmen im Panoramaformat machen kann.

Was nicht heißt, dass Brodmann in seiner Karriere nicht mit anderen Kameras und in anderen Formaten fotografiert und beeindruckende und denkwürdige Aufnahmen produziert hätte. Zeugnisse davon sind in dieser groß angelegten Überblicksschau der drei Kunstinstitute zu sehen. Im Zentrum der Ausstellung in Salder stehen indes die schwarzweißen Panoramaaufnahmen, die der Künstler zwischen 1973 und 2006 gefertigt hat und die seinerzeit, begleitet von einem Katalog, unter dem Titel „Stadt-Land-Mensch“ im Braunschweigischen Landesmuseum Premiere hatten. Als wichtiges Kapitel seines Schaffens sind sie selbstverständlicher Teil der Retrospektive des Künstlers.

Dass er für seinen Werkkomplex damals einen Titel wählte, der an ein Kinderspiel erinnert, betont in subtiler Manier, wie viel Spaß Brodmann beim Fotografieren hat. Dass er dabei die Begriffstrias veränderte und „Fluss“ durch „Mensch“ ersetzte, macht deutlich, wie sensibel er in diesem Ensemble drei Themenkomplexe miteinander verbunden hat, die ihm wichtig sind. In ihrem Zentrum steht der Mensch in seinem Habitat. Zu ihm gehören die Stadt und im Weiteren die Landschaft, die Uwe Brodmann, weil wir sie fast ausschließlich als vom Menschen bearbeitete kennen, als Kulturlandschaft bezeichnet.

Die Stadt, um die es in dieser Werkreihe wesentlich geht, ist Braunschweig. Auch Wolfsburg spielt eine Rolle, sodann das Land und die Landschaft um diese Städte herum, und die Menschen, die dort leben. Das hört sich unspektakulär an; ist es auch. Aber das gelungene künstlerische Bild bezieht seinen Wert eben nicht durch das, was es darstellt, sondern wie es etwas darstellt. Darauf kann man nicht oft genug hinweisen.

Und so sieht Wolfsburg, von dem auf die Stadt herabschauenden Brodmann fotografiert, in seiner Aufnahme nicht weniger als spektakulär aus. Durch die Perspektive der Panoramakamera aus der Orthogonalen gerissen, aus dem rechten Winkel, diesem zweifelhaften Glücksversprechen der Moderne, rundet sich die Ansicht der Stadt in liebenswürdiger Weise und erinnert uns daran, dass die Erde eine Kugel ist. Mit dem französischen Dichter Louis Aragon ließe sich hinzufügen, auch wenn das Schwarzweiß der Aufnahme Brodmanns das Verwirrspiel der Farben in dem Vers von Aragon nicht herausgibt: „La terre est bleue comme une orange.“ Die Erde ist blau wie ein Orange.

Alle Bilder von „Stadt-Land-Mensch“ haben ihren Konvergenzpunkt im Menschen. Stadt und Landschaft als vom Menschen gemachte und bearbeitete sind im Grunde metonymische Porträts von ihm. Porträts, in denen der Mensch nur implizit vorhanden ist, die auf ihn lediglich verweisen. Daneben gibt es die Bilder, in denen Brodmann den Menschen explizit in personam zeigt. Aber auch dort hat der Raum die Funktion, den Menschen zu charakterisieren. Der Mensch steht in diesen Aufnahmen als Vertikale im Bild, oft bezeichnender Weise im Zentrum der Fotografie, während der Raum auf der horizontalen Ebene infolge der Aufnahmetechnik auseinander strebt. Das führt dazu, dass man den Menschen in diesen Aufnahmen regelmäßig als Souverän des Raumes wahrnimmt, in dem er steht oder sitzt.

Zum Beispiel die Ballerina, ganz allein an eine Säule gelehnt. Oder den Tänzer bei Eintritt in den leeren Übungsraum, den Generalmusikdirektor allein im Theater, den Künstler in seinem Atelier, den Autor in seiner Bibliothek. Herrscherin und Herrscher in ihrem Reich. Nicht anders als der Arbeiter vor seinem Hochofen, der Reiter inmitten seiner Pferde, der Mensch in der Natur.

Der Raum wird in diesen Bildern zur Bühne, und auf ihr gewinnt der Mensch an Bedeutung. Und zwar auf eine äußerst diskrete, beiläufige und unpathetische Weise, hinter der indes unausgesprochen ein Pathos tönt, das wir von Sophokles kennen: „Ungeheuer ist viel, doch nichts ist ungeheurer als der Mensch.“ Dieser Eindruck wird noch gesteigert, wenn der Raum für einen einzelnen Menschen zu groß erscheint, um ihn zu beherrschen, wie die Fußballarena, in der er ganz allein steht. Oder wenn der Raum eines Vorstandsvorsitzenden sich im Bild krümmt und windet, als wolle er seine einschnürende Architektur abschütteln und einer Empfehlung von Karl Marx folgen, der davon gesprochen hat, man müssen den Verhältnissen ihre ureigene Melodie vorspielen, um sie zum Tanzen zu bringen.

Ganz besonders prononciert drückt sich dieses Verhältnis in einem Landschaftsbild aus, das Uwe Brodmann – gewiss aus diesem Grund – ans Ende seiner Werkreihe „Stadt-Land-Mensch“ gesetzt hat. Wir sehen Menschen auf dem Brocken, jenem mythischen Berg, der höchsten Erhebung im Harz, der von Goethe bis Hitler Menschen in vielfältiger Weise bewegt hat. Die Kamera dehnt wie gewohnt die Szenerie, während die Menschen, in die Betrachtung der Landschaft versunken, wie bei Kaspar David Friedrich in Rückenansicht gezeigt werden. Das Bild ist eine sensible Studie in Licht und Schatten. Und der Aufstieg, der hinter seinen Protagonistinnen und Protagonisten liegt, wirkt wie eine Passage ins Helle. Per aspera ad astra, aus dem Dunkel der Depression ins befreiende Licht der Höhe.

Vor diesem Hintergrund haben wir es hier mit nichts weniger als mit einem Meditationsbild zu tun, dessen Personen vor der Landschaft gleichfalls in Andacht versunken scheinen. Die feinen Linien und Graustufen der Aufnahme lassen dabei nichts im Ungefähren, jedes Detail tritt klar und scharf hervor. Wie kaum ein anderes macht dieses Bild deutlich, warum die Fotokünstler so lange an der Schwarzweißfotografie festgehalten haben. Und warum wir auch heute noch dem schwarzweißen Bild einen höheren Realitätsgrad einräumen als dem farbigen, obwohl sich die Welt doch nicht in Schwarzweiß, sondern in Farbe darstellt. Schwarz und Weiß sind die Farben des Geistes. „Was man Schwarz auf Weiß besitzt, kann man getrost nach Hause tragen“, scherzt Mephisto in Goethes „Faust“ und macht sich über den Schüler lustig, den er mit seinen Vorschlägen in Verwirrung gestürzt hat. Auch die Hegelsche Dialektik, eine Kartographie des Denkens, entwickelt sich in These und Antithese, in Rede und Gegenrede, oder eben in Schwarz und Weiß.

Eine weitere Partie von Werken der Ausstellung macht indes deutlich, dass Brodmann auch sehr genau Farbe in seinem Werk sinn- und bedeutungsvoll einzusetzen weiß. Dabei bedient er sich der Digitalkamera, die er für seine Bilder zusammen mit verschiedenen Software-Applikationen nutzt. Was nichts anderes heißt, als dass er auch mit der Digitalkamera per Montage die Breitwandeffekte der Panoramakamera und damit die Erweiterung seines Bildraums zu realisieren versteht. Was vor allem in der hier in Salder präsentierten Werkserie eindrucksvoll die breit hingelagerten Kühe demonstrieren, die er 2010 und 2011 in den Dolomiten fotografiert hat. Aber auch die in leuchtenden, satten Farben sich präsentierenden Felder von Ahlum und Atzum aus 2023, die Brodmann, den Jahreszeiten folgend, im heimischen Niedersachen aufgenommen hat. Wenn im Vordergrund der Aufnahmen sich ein Busch oder Baum zeigt oder eine Baumreihe oder Wegführung in die Bilder führen, potenziert sich ihre Tiefe.

Das Nebeneinander von Schwarzweiß- und Farbfotografien führt uns nicht nur vor Augen, wie überzeugend der Künstler beide zu handhaben weiß, es erinnert auch an einen alten Streit in der Malerei. In der Renaissance stritten sich die Akademien von Florenz und Venedig darüber, was wichtiger für ein Gemälde sei, Farbe (coloriti) oder Linie (disegno)? Die Venezianer, sie hatten in ihrer Stadt Maler, nach denen man Farben benannt hatte wie Tizian oder Veronese, stimmten für die Farbe. Die Florentiner, sie besaßen intra muros Künstler wie Brunelleschi und Masaccio, die die gewaltige Kuppel der Kathedrale Santa Maria del Fiore gebaut und die Zentralperspektive entwickelt hatten, votierten für die Linie. Das war weit mehr als ein rein akademischer Streit. Es ging dabei auch um den Primat eines Welt- und Menschenbildes. In Farbe schaut man auf die Wirklichkeit emotional und durch das Prisma des Gefühls. Mit Hilfe der vermessenden und kalkulierenden Linie dagegen eher rational und more geometrico. Ganz ähnlich geht es mit der Farb- und der Schwarzweißfotografie. Künstler, die beide Medien gleichermaßen gut beherrschen, sind äußerst selten. Uwe Brodmann gehört zu ihnen.

Die Suche

Im Rahmen von RUNDUM – FESTIVAL FÜR KULTUR UND BEGEGNUNG
Eine Hommage an die Zukunft, Gegenwart und Vergangenheit

esistso!company – Eine choreografische Arbeit von Gerda Brodmann-Raudonikis
Freitag, 24. Oktober 2025 um 19:30 Uhr in der Petrikirche Braunschweig

Die esistso!company ist noch immer auf der Suche nach neuen Herausforderungen. Nach 20 Jahren müsste man eigentlich sesshaft, ruhig und vernünftig sein. So denken vielleicht die anderen, aber nicht die esistso!company! In den erarbeiteten Choreografien konzentriert sich die Company auf menschliche Erfahrung und ein harmonisches Miteinander, so auch im neuen Tanzstück DIE SUCHE. Das Ensemble bleibt seinem Ansatz treu, Geschichten mit emotionaler Tiefe zu erzählen und menschliche Werte in den Mittelpunkt zu stellen.

esistso!company: Stephanie Baum, Wiebke Behrens, Stefan Bogdoll, Maja Klie, Bettina Lampe, Ole Rieling, Linda Rohloff, Stefan Rümmler, Kathrin Schrader, David Somrei und Marianne Besser

Regie/Choreografie: Gerda Brodmann-Raudonikis | Assistenz: Melanie Sapendowski, Nicole Kupitsch | Musikkomposition/Video: Peter M. Glantz | Kostüme: Eva-Maria Huke | Bühne: Stefan Bogdoll | Fotografie: Uwe Brodmann

Eintritt frei – für Spenden sind wir offen. Da die Zuschauerzahl begrenzt ist, bitten wir um Reservierungen: info@kunasmodernus.de oder +49 172 4534909

AYENŌ

Im Rahmen von RUNDUM – FESTIVAL FÜR KULTUR UND BEGEGNUNG
Konzert Peter M. Glantz und Stefan Stürmer
am Samstag, 25. Oktober 2025 um 20.30 Uhr in der Petrikriche Braunschweig
Einlass ab 20.00 Uhr

Exklusive Premierenshow zum neuen Album THE YNKNŌWN

Hintergrund-Story AYENŌ

Peter M. Glantz und Stefan Stürmer sind AYENŌ – (nicht nur) ein (weiteres) Musikprojekt aus Braunschweig. Die beiden haben als Musiker schon so einiges erlebt. Theaterpremieren unter tosendem Applaus und Aufführungen bei denen alles schiefging, Musikalische Experimente vor laufender Fernsehkamera und die emotionalsten live-Momente auf den buchstäblich größten und kleinsten Bühnen der Welt – vor 100.000 Zuschauern oder für nur einen Fan. Ausgedehnte Tourneen im Nightliner quer durch die Republik und selbstverständlich auch das Dreimannband-Taxi für eine Wochenendshow auf dem Land, mit der Backline auf dem Schoß. Genreüberschreitende Supports für die Simple Minds, die Rolling Stones oder Rammstein. Aufnahmen im Hotelzimmer bei Kerzenlicht oder Studios, in denen eine Stunde 400 € kostet.

Die beide haben also manches gesehen. In 50 Jahren sammelt sich schließlich ganz schön was an. Das ist allerdings kein Grund sich auszuruhen, Lorbeeren gab es ohnehin selten. Aus diesem Grund trifft auf dem brandneuem Album THE YNKNŌWN High-Tech auf Vintage-Instrumente und verbindet der experimentelle Umgang mit Sounds, die Perfektion der Performance am Instrument und nein, K. I. wird hier mit Absicht nicht verwendet.

Musik gehört, haben Glantz und Stürmer natürlich auch schon immer, so dass deutliche Einflüsse ihrer Helden und musikalischen Vorbilder auf dem aktuellen Album zu hören und spüren sein dürften, sei es David Bowie, Pink Floyd, Air, Tricky, Kraftwerk, Kruder & Dorfmeister, Can und sicher auch Genesis, ja vielleicht sogar Supertramp.

Ausgetüftelte in englisch gesungene, poetische Texte setzen den inhaltlichen Kurs der Show, wer an dem Abend hinhört, ließt und seine für die Augen öffnet, wird vielleicht die zusammenhängende Geschichte hinten den einzelnen Songs entdecken.

Weitere Informationen unter: https://ayeno.de


Coverfoto: Roberta Bergmann

Mein Herz jetzt

Im Rahmen von RUNDUM – FESTIVAL FÜR KULTUR UND BEGEGNUNG
Tanzperformance von und mit Gerda Brodmann-Raudonikis
Sound und Video Peter M. Glantz
Premiere:
Donnerstag, 30. Oktober 2025 um 19:30 Uhr in der Petrikirche Braunschweig

Gerda Brodmann-Raudonikis ist freischaffende Choreografin, Regisseurin und Tanzpädagogin. Stationen: 1999: Gründung Tanztheater Kunas Modernus; 2009 bis heute: Lehrauftrag Tanz und Bewegung an der Technischen Universität Braunschweig, davor Lehrauftrag an der Hochschule für Bildende Künste, Braunschweig; 2009: künstlerische Leitung esistso!company, Tanztheater mit Menschen mit Beeinträchtigung; 2015: künstlerische Leitung der Agroup, Menschen mit und ohne seelische Beeinträchtigung; 2018: künstlerische Leitung Choreografisches Labor, Lessingtheater Wolfenbüttel; 2024: Einladung zum Ausschuss für Kultur und Medien im Bundestag; 2025: Schandelah United, Tanztheater auf dem Lande; 2025: Bürgermedaille für besondere Verdienste der Stadt Braunschweig; bis heute 74 Tanztheaterproduktionen.

Eintritt frei – für Spenden sind wir offen. Da die Zuschauerzahl begrenzt ist, bitten wir um Reservierungen: info@kunasmodernus.de oder +49 172 4534909

Dreh Dich nicht um

Im Rahmen von RUNDUM – FESTIVAL FÜR KULTUR UND BEGEGNUNG
Agroup – Eine choreografische Arbeit von Gerda Brodmann-Raudonikis
Freitag, 07. November 2025 um 19:30 Uhr in der Petrikirche Braunschweig

In diesem Jahr feiert die Agroup ihr 10-järiges Bestehen. Sie strebt nach immer neuen Formen; Mischungen aus klassischem Ballett, Performance und modernem Tanz, an unterschiedlichen Auftrittsorten wie Museum, Kirche, Schloss, Zirkuszelt oder Industrieraum. Die Orte nehmen Einfluss auf die Stücke – die unterschiedlichen Kulissen sind inspirierende Quellen für das Ensemble. Die Choreografin Gerda Brodmann-Raudonikis konzipiert ihre Stücke speziell für die Auftrittsorte. Das Tanzstück befasst sich mit den inneren Kämpfen und Herausforderungen des Lebens, aber auch mit dem Mut aus einer gescheiterten Situation einen Ausweg zu finden. Die Agroup besteht aus Menschen mit und ohne seelische Beeinträchtigung und ist eine Initiative von Ambet e.V. Braunschweig. Bewegung bringt Begegnung!

Agroup: Sonja Bartel, Marianne Besser, Stefan Bogdoll, Carina Claus, Petra Freywald-Masci, Torsten Gröbler, Yuliia Ksenofontova, Martin Kalle, Katja Schönberg, Silvie Schönberg, Ulrike Stein, Ines Tegtmeyer, Norbert Wiedemann

Regie/Choreografie: Gerda Brodmann-Raudonikis | Gruppenleitung: Ulrike Stein | Assistenz: Gudrun Siebert | Musikkomposition: Peter M. Glantz | Folklore-Gesang: Milda Tubelyte | Kostüme: Eva-Maria Huke | Bühne: Gerda Brodmann-Raudonikis | Fotografie: Uwe Brodmann

Eintritt frei – für Spenden sind wir offen. Da die Zuschauerzahl begrenzt ist, bitten wir um Reservierungen: info@kunasmodernus.de oder +49 172 4534909

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